Paul Kalas von der UC Berkeley war verblüfft über die geneigte, aber stabile Umlaufbahn eines Planeten um einen Doppelstern – eine Umlaufbahn, wie sie der hypothetische Planeten „Neun“ unseres Sonnensystems auch haben könnte. Kalas stellte Berechnungen an, um zu sehen, ob einer der 461 nahe gelegenen Sterne jemals nahe genug war, um das System zu stören; zwei Sterne kamen in Frage. Ein Vorbeiflug vor 2-3 Millionen Jahren könnte die Umlaufbahn des Planeten stabilisiert und ihn daran gehindert haben weg zufliegen.
Aber sind stellare Vorbeiflüge wirklich in der Lage ganze Planetensysteme umzugestalten?
Astronomen von der University of California (UC) Berkeley und der Stanford Universität glauben, dass sie jetzt einen entscheidenden Hinweis gefunden haben.
Ein Planet, der einen jungen Doppelstern umkreiste, wurde möglicherweise von einem anderen Sternenpaar gestört, das vor zwei bis drei Millionen Jahren zu nahe an dem System vorbeiflog, und zwar kurz nachdem sich der Planet aus einer Scheibe aus Gas und Staub gebildet hatte.
Wenn dies bestätigt werden sollte, stützt dies die Argumente, dass geringe Sternabstände wesentlichen Einfluss auf die Form und Ordnung von Planetenbahnen haben.
„Eines der Mysterien, die sich aus dem Studium der Exoplaneten ergeben ist, dass wir Systeme sehen, bei denen Planeten falsch ausgerichtet sind, obwohl sie in einer flachen, kreisförmigen Scheibe geboren wurden“, sagte Paul Kalas, Universitätsprofessor für Astronomie an der UC Berkeley. „Vielleicht traf ein kosmischer Tsunami diese Systeme und ordnete alles um, aber wir hatten keine Beweise dafür. Unser Artikel liefert einen der seltenen Beobachtungs-Hinweise für einen solchen Vorbeiflug, der eines der Planetensysteme in der Galaxis sanft beeinflusste.“
Astronomen suchten bereits in der Vergangenheit unseres Sonnensystems nach einem Vorbeiflug, aber da dies vermutlich vor 4,6 Milliarden Jahren der Fall war, sind kaum mehr Beweise zu finden. Das Sternsystem, das die Astronomen untersuchten, hat die Nummer HD 106906 (=HIP 59960) und ist etwa 300 Lichtjahre von der Erde entfernt in Richtung des Sternbilds Kreuz des Südens. Es ist sehr jung, nur etwa 15 Millionen Jahre alt.
Kalas und Robert De Rosa beschreiben ihre Ergebnisse in einer Publikation, im Astronomical Journal veröffentlicht wird und auch online verfügbar ist (https://arxiv.org/abs/1902.10220).
Kalas studiert junge, neu gebildete Planetensysteme um zu verstehen, was in den frühen Jahren unseres eigenen Sonnensystems geschah. Er konzentrierte sich 2015 zunächst auf HD 106906, nachdem festgestellt worden war, dass er einen offenbar massereichen Planeten in einer höchst ungewöhnlichen Umlaufbahn hat. Der Planet mit Namen HD 106906 b hat 11 Jupitermassen und umkreist HD 106906, der wie sich kürzlich herausgestellt hat ein Doppelstern ist, auf einer Bahn die etwa 21 Grad zur Scheibenebene geneigt ist. Sein aktueller Standort ist mindestens 738 mal weiter von seinem Stern entfernt als die Erde (damit 18 mal weiter als Pluto) von der Sonne.
Kalas nutzte sowohl den Gemini Planet Imager des Gemini-Teleskops in den chilenischen Anden als auch das Hubble Weltraumteleskop, um HD 106906 genauer zu betrachten und entdeckte, dass der Stern auch einen asymmetrischen Kometengürtel hat. Die seltsame Umlaufbahn des Planeten und die Tatsache, dass die Staubscheibe selbst asymmetrisch ist, deutet darauf hin, dass das junge System durch etwas gestört wurde.
Es gibt unterschiedliche Ansichten wie es zur seltsamen Bahn des Planeten kommt. Die Autoren erwähnen einen weiteren bisher nicht bekannten Planeten oder eine der bekannten Doppelsternkomponenten als Erklärungsansatz.
Der neue Sternkatalog der ESA-Mission Gaia bietet nun die Möglichkeit eine der Erklärungen zu überprüfen.
Kalas und De Rosa nutzten Gaia-Informationen über 461 Sterne aus dem Sternhaufen in dem sich HD 106906 befindet. Mithilfe der von Gaia ermittelten Geschwindigkeiten berechneten sie die früheren Positionen der Sterne und entdeckten, dass möglicherweise ein anderer Doppelstern (das Paar HIP 59716 und HIP 59721) vor 3 Millionen Jahren nahe genug war um das Planetensystem zu verändern.
Um die Frage der Entstehung wirklich zu klären ist es aber notwendig die Geschwindigkeiten der Sterne im Sternhaufen genauer zu bestimmen. Dann sind auch die rückgerechneten Positionen genauer und die Erklärungen die derzeit nur Möglichkeiten aufzeigen, werden bestätigt oder verworfen. Zentral dabei ist die genaue Bestimmung der Radialgeschwindigkeiten die im aktuellen Gaia-Katalog noch nicht vorliegen. Die Autoren schlagen derartige Beobachtungen selbst vor.