Neue Schwerkraftkarte vom Mars
Eine neue Karte von der Schwerkraft des Mars, die mit Daten von drei Raumsonden erstellt wurde, ist die bisher detaillierteste Karte und gibt einen aufschlussreichen Einblick in das Innere des Roten Planeten.
„Gravitationskarten ermöglichen es uns in das Innere eines Planeten zu blicken, so wie ein Arzt mit Hilfe von Röntgenstrahlen in das Innere eines Patienten blicken kann“ sagte Antonia Genova vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge. „Die neue Schwerkraftkarte wird für die zukünftige Erforschung des Mars hilfreich sein, weil eine bessere Kenntnis über die Schwerkraft-Anomalien des Planeten den Missions-Controllern von Raumsonden bei der Berechnung von Umlaufbahnen um den Mars helfen wird. Darüber hinaus wird die verbesserte Auflösung der Schwerkraftkarte dazu beitragen, die immer noch mysteriösen Formationen von spezifischen Regionen auf dem Planeten zu verstehen.“ Genova, der mit dem MIT noch immer in Verbindung steht, sich aber derzeit am Goddard Space Flight Center in Greenbelt Maryland befindet, ist der Hauptautor eines Artikels zu diesem Thema, der am 5. März online in der Zeitschrift Icarus veröffentlicht wurde.
Mit der verbesserten Auflösung der neuen Schwerkraftkarte gibt es eine neue Erklärung für einige Strukturen, die das relativ glatte nördliche Tiefland von dem mit Kratern übersäten südlichen Hochland trennen. Ferner wurde durch die Analyse der Gezeitenkräfte in der Mars-Kruste und dem Mantel, hervorgerufen durch die Anziehungskraft der Sonne und der beiden Monde, vom Team festgestellt, dass der Mars einen flüssigen äußeren Kern aus geschmolzenem Gestein hat. Schließlich konnte durch die Beobachtung, wie sich die Schwerkraft des Mars in mehr als 11 Jahren ändert – der Zeitraum eines ganzen Zyklus der Sonnenaktivität – das Team die enorme Menge an Kohlendioxid ableiten, die auf eine der Polkappen des Mars aus der Atmosphäre ausfriert wenn es Winter wird. Sie beobachteten auch, wie sich die Masse zwischen Südpol und Nordpol mit dem Wechsel der Jahreszeiten auf den Hemisphären hin und her bewegt.
Die Karte wurde unter Verwendung von Doppler und Tracking-Daten erstellt, die von NASAs Deep Space Network von den drei Raumsonden Mars Global Suveyor (MGS), Mars Odyssey (ODY) und Mars Reconnaissance Orbiter (MRO) gesammelt worden sind. Wie alle Planeten hat der Mars eine klumpige Form, was sich durch eine unterschiedliche Anziehungskraft auf eine Raumsonde im Orbit bemerkbar macht. Zum Beispiel wird die Anziehungskraft über einem Berg etwas stärker sein als über einer Schlucht.
Leichte Unterschiede in der Schwerkraft des Mars veränderten die Flugbahn der Sonden im Orbit des Planeten, der die veränderten Signale zum Deep Space Network sendete. Diese kleinen Schwankungen in den Bahndaten wurden verwendet, um eine Karte vom Gravitationsfeld des Mars zu erstellen.
Das Gravitationsfeld wurde mit Daten aus den letzten 16 Jahren erstellt, die kontinuierlich in der Umlaufbahn um den Mars gesammelt worden sind. Allerdings sind die Änderungen in der Schwerkraft winzig und andere Kräfte, welche die Bewegung des Satelliten stören können mussten sorgfältig berücksichtigt werden, wie zum Beispiel die Kraft des Sonnenlichts, die auf die Solarzellen der Sonde wirkt und an der dünnen oberen Atmosphäre des Roten Planeten zieht. Es dauerte zwei Jahre an Analysen und Computer-Modellierungen, um Bewegungen zu entfernen die nicht durch die Schwerkraft verursacht werden.
„Mit dieser neuen Karte waren wir in der Lage, Schwere-Anomalien zu erkennen die kleiner als 100 Kilometer groß sind und die Dicke der Kruste des Mars konnte mit einer Auflösung von rund 120 Kilometern bestimmt werden“, sagte Genaova. „ Die bessere Auflösung der neuen Karte hilft zu interpretieren, wie sich die Kruste des Planeten im Laufe der Geschichte in manchen Regionen verändert hat.“
Zum Beispiel wurde ein Bereich von geringerer Schwerkraft zwischen Acidalia Planitia und Tempe Terra als ein System von unterirdischen Kanälen interpretiert, die Wasser und Sedimente vom südlichen Hochland in die nördliche Tiefebene vor Milliarden von Jahren lieferte, als das Marsklima feuchter war als heute. Die neue Karte zeigt, dass diese niedrigere Schwerkraft-Anomalie auf jeden Fall größer ist und der Grenze zwischen Hochland und Tiefland folgt.
Es ist unwahrscheinlich, dass dieses System an Schwerkraft-Mulden nur vergrabene Kanäle sind, weil manche Orte der Region höher sind als die sie umgebenden Ebenen. Die neue Schwerkraft-Karte zeigt, dass einige Strukturen senkrecht zur lokalen Topographie verlaufen, entgegen dem was natürlich gewesen wäre, da das Wasser ja bergab fließt.
Eine alternative Erklärung wäre, dass diese Anomalie die Folge einer Krümmung der Lithosphäre ist – die starke äußerste Schicht des Planeten – verursacht durch die Bildung der Tharsis-Region. Tharsis ist ein vulkanisches Plateau auf dem Mars mit den größten Vulkanen des Sonnensystems. Als die Tharsis Vulkane wuchsen, knickte vermutlich die umliegende Lithosphäre unter dem immensen Gewicht ein.
Das neue Gravitationsfeld erlaubt es auch dem Team, Hinweise aus früheren Schwerkraft-Lösungen zu bestätigen, dass der Mars einen flüssigen äußeren Kern aus geschmolzenem Gestein hat. Die neue Schwerkraft-Lösung verbessert die Messung der Gezeiten des Mars, die von Geophysikern verwendet wird, um das Modell des Mars` Innerem zu verbessern.
Änderungen in der Schwerkraft des Mars im Laufe der Zeit wurden schon vorher mit den Missionen MGS und ODY gemessen. Zum ersten Mal nutzte das Team auch Daten vom MRO um weiterhin die Masse zu überwachen. Das Team hat festgestellt, dass, wenn eine Hemisphäre den Winter erlebt, etwa 3 bis 4 Billionen Tonnen Kohlendioxid aus der Atmosphäre gefriert und sich auf der nördlichen bzw. auf der südlichen Polkappe niederschlägt. Das ist etwa 12 bis 16 Prozent von der Masse der gesamten Marsatmosphäre. Die Viking-Missionen beobachteten erstmals diesen massiven saisonalen Niederschlag von Kohlendioxid. Die neue Beobachtung bestätigt zahlreiche Vorhersagen vom Mars Global Reference Atmospheric Model-2010.
Die Forschung wurde finanziert durch Zuschüsse von der Mars Reconnaissance Orbiter-Mission und dem Mars-Datenanalyse-Programm der NASA.
24. März 2016/SP
Verein Kuffner-Sternwarte